STERN 3 / 2000  MAGAZIN WIRTSCHAFT

"Natürlich bin ich ein Arschloch"

Schon mal von Joachim Steinhöfel gehört? Nein? Doch. Dem Blöd-Mann vom MEDIA MARKT kann man nicht entgehen. Hinter dem PR-Fuzzi steckt ein gerissener Anwalt

Wähle Nullhundertneunzig, dreimal die Sechs, Zwonull, Zwonull. Eine Telefonsex-Dame gurrt: "Möchtest du ganz versaut talken?" Plötzlich quakt ein Typ in die Leitung: "Moooment! Merken Sie nicht, daß es diese kleine geile Telefonluder nur auf Ihre Kohle abgesehen hat?" Er rät dem verdutzten Anrufer ("Sie kleines Schweinchen!"), das Geld lieber in den nächsten Media Markt zu tragen.

Der schon wieder. Der Kerl mit dem schnarrenden Organ und der Feuermelder-Visage. Auf allen Kanälen und Frequenzen, auf Plakaten, Zeitungsseiten und im Kino veranstaltet der Media-Markt-Mann Werbeterror. Halb debil, halb dämonisch blickt er von Stellschildern, dem Türsteher einer Halbwelt-Disco nicht unähnlich. In rasant geschnittenen TV-Spots macht er japanische Köche, holländische Touristen und deutsche Muskelprotze an, zerrt Zahnarztgattinnen vom Tisch, kriegt auch mal was aufs freche Maul.

Die ätzende Kampagne, ausgeheckt von der Münchener Werbeagentur "For Sale", hat den Namen des Elektronik-Riesen in die Konsumentenhirne gehämmert, dank endlos repetierter Sprüche wie "Ich bin doch nicht blöd", "Gut, daß wir verglichen haben" oder eben "Moooment!"

DAS EKEL VOM DIENST wird von Joachim Steinhöfel, 37, Laiendarsteller und Rechtsanwalt in Hamburg, gegeben. Dazu muß er sich nicht sonderlich verstellen. Unter seiner rauen Schale steckt eine harte Nuß. "Steini", wie ihn seine wenigen Freunde nennen, gilt in der Hansestadt als Pitbull in Robe. Für seine Mandanten, darunter der Media Markt, streitet der Wettbewerbsrechtler mit der Beißwut amerikanischer Advokaten. Und gerade im Elektronikgeschäft, wo ein knochenharter Verdrängungskampf tobt, wird mit allen gerade noch legalen Tricks gearbeitet. Gerne etwa hetzt man dem Gegner Provo-Käufer auf den Hals, die verbotene Rabatte aushandeln. Anschließend hagelt es Abmahnungen, werden den Geleimten happige Anwalts- und Gerichtskosten aufgehalst. In diesem Milieu feiert Steinhöfel Triumphe.

"Man muß trainingshalber jeden Tag was tun, wovor man richtig Schiß hat"
Joachim Steinhöfel

Unter Jungjuristen ist Steini Kult. Ältere Kollegen jedoch rollen mit den Augen, fällt nur der Name des arroganten Smarties.

Auf dem Cover-Foto der Telefonbuch-CD-Rom "D-Info", deren Firma er als Anwalt, Aufsichtsrat und Werbemaskottchen in Personalunion vertritt, steht er da im Glitzer-Anzug, eine Endmoräne der Yuppie-Zeit. Arme in Boxerhaltung, Siegesschrei auf den Lippen, wie aus einer Postwurfsendung für riskante Geldanlagen gehüpft. Kurz, Steinhöfel verströmt so ziemlich alles, wogegen in Seattle randaliert wurde. Zum Reinsemmeln, oder?

MOOOMENT! Einer der bei der penetranten Betroffenheitsmutter Renan Demirkan spontan Abscheu weckt ("Liebt Sie denn irgendjemand auf der Welt?"), kann nicht ganz schlecht sein. Tatsächlich ist Steinhöfel ein höchst unterhaltsamer Gesprächspartner, wieselflinker Kapierer und Parierer. Und ein Energiebolzen sondergleichen. Alles im Leben hat er sich hart erackert, auch den üblen Ruf. Nie wollte er werden wie andere Juristen, "Typen in grünen Lodenmänteln, die schon auf der Uni aussehen wie ihre eigenen Väter". Jahrelang hat er neben dem Studium als Musikredakteur eines Privatsenders gearbeitet, sich mit 23 den ersten Porsche gekauft. "Nach dem Examen hab ich nicht lange bei einem Anwalt rumgehangen, wollte immer mein eigenes Ding machen."

Man müsse, sagt er, "trainingshalber jeden Tag was tun, wovor man richtig Schiß hat". Das ist nicht so einfach bei seinem Naturell. Als Herausforderung gibt es zum Glück die Telekom. Die möchte wegen angeblicher Daten-Kupferei 16 Millionen Schadenersatz von Steinhöfel haben. Da fühlt sich der Kampfkater mal selber verfolgt: "Die wollen mich als Anwalt vernichten." Gut, daß er auch ein Motto für Abstürze hat: "Wieder rauf auf den Planwagen und weiter gen Westen."

Sein Schönstes: Schauspieler sein. Die Spots für den Media Markt haben ihm unbändigen Spaß gemacht. In bescheuerten Posen fotografiert zu werden, ist ihm eine Lust. Er schlägt keine Talkshow aus, wenn er darin die Traumrolle jedes Mimen spielen kann, die des Bösewichts. Neben Götz Otto wirkt er demnächst in einem Kurzfilm auf Arte mit; im Frühjahr steht er für einen Kinofilm des "Musterknaben"-Regisseurs Ralf Huettner vor der Kamera. "Eine nicht ganz unbedeutende" Rolle habe er darin. Dreimal darf man raten, welche.

Ach, es will einfach kein Ende nehmen mit Pöbel-Steini. Man wird ihn irgendwie aussitzen müssen.

 WOLFGANG RÖHL

Seine Autogrammkarten zeigen ihn bei der Interview-Arbeit im Puff.

In der Presse wird der Mann mit dem haararmen, kantigen Schädel und dem Caligula-Bart als notorischer Kotzbrocken geführt. Einst pöbelte er in der RTL-Call-in-Show "Achtzehn 30" Anrufer kompromisslos nieder ("Würstchen", "Sie sind beknackt"). Und im Müll-TV-Magazin "Die Redaktion" von RTL 2 war er die Karikatur eines taffen Chefredakteurs, der ein Rudel hungriger Enthüllungswölfe kommandiert. Mit dieser gelungenen Realsatire wurde Steini endgültig zu einer Marke. "Ich weiß, man nennt mich dreist und pöbelig", freut er sich. "Ich selber würde mich aber eher als schlagfertig und souverän beschreiben." Immer der Mr. Bigmouth. "Natürlich", sagt er, "bin ich ein Arschloch. Und zwar für rechtskräftig verurteilte Markenpiraten, unlautere Wettbewerber und Ruf-Schmarotzer. Die kriegen von mir eins auf die Mütze. Dann jammern sie, ich würde ihre Existenz bedrohen. Und die Presse kauft ihnen diesen Stuß auch noch ab. David gegen Goliath, so was kommt immer gut in Deutschland. Wissen Sie eigentlich, daß in Ihrer Branche reichlich Idioten rumlaufen?"

Vorneverteidigung ist sein Lebenselixier. Klagen beantwortet er mit Gegenklagen, Vorhalte dreht er in null Komma nix um. Wer es mit Steinhöfel zu tun kriegt, sagen Kollegen mit einer Mischung aus Ärger und Respekt, müsse sich ziemlich warm anziehen.

Rund 100 Fälle hat er bis zum Bundesgerichtshof hochprozessiert.

"70 Prozent davon gewonnen, meines Wissens eine einmalige Erfolgsquote." Falls in ihm doch irgendeine Tugend schlummern sollte, Bescheidenheit heißt sie sicher nicht. "Ich verneige mich in Ehrfurcht vor meinem Werk", ist einer seiner Standardsätze. Er meint das so.
Wer seine Klischees über hedonistische Aufsteigertypen bestätigen möchte, dem macht Steini es leicht. Wie er schon dasitzt in seinem Büro mit Blick auf die Außenalster, auf dem Schirm die Aktienkurse online, unterm Tisch weiße Turnschuhe. "Amazon, einer der geilsten Werte überhaupt. Sechs Komma drei plus, da geht doch gleich die Sonne auf. Aktien sind ein hochinteressantes Spiel, dazu muß man Nerven haben." So betet er seine "Focus"-Weisheiten herunter, globalisierungsgläubig, internetbesoffen und Dax-fixiert. Sein Wertekanon, Westerwelle pur: "Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortlichkeit." Neoliberalismus und Sozialdarwismus dringen ihm aus allen Poren.

Betriebe, die nicht mithalten, müssen weg, na logisch; Kollegen, die sich nicht behaupten können, "sollen meinethalben ruhig koppheister gehen". Er, Porsche-Fahrer mit Wohnsitz an der feinen Elbchaussee, tut jedenfalls keine müde Mark in die "Anwaltshilfskasse".

So einer ist natürlich fanatischer Nichtraucher und Stammgast im Fitnessstudio, hechelt jeden Tag um die Alster, hetzt gegen dicke Menschen, liest das Buch "Das egoistische Gen" und süffelt dazu grünen Labbertee.

Media Markt in Zahlen
192 Filialen in Europa
x IN MÜNCHEN eröffnete vor 20 Jahren der erste Media Markt. Heute gibt es Filialen in neun europäischen Ländern. x 13000 Mitarbeiter erarbeiteten 1998 einen Jahresumsatz von 6,9 Milliarden Mark. Media Markt ist Europas größte Elektrofachmarktkette. x DAS UNTERNEHMEN gehört mehrheitlich zur Media-Saturn-Gruppe, einer Tochter der Metro AG. Laut Infratest ist die Kampagne "Ich bin doch nicht blöd" die bekannteste Werbung der Branche.

© STERN NR.3/2000

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